Benyamin Mohammadzadeh (l.) mit LSK-Chefcoach Rainer Zobel beim Mittwoch-Training in der Goseburg. Foto: Poersch

Für Benyamin Mohammadzadeh war es wie ein Märchen aus 1001 Nacht: Der 21-jährige Student aus dem Iran traf am Mittwoch beim Training in der Goseburg LSK-Trainer Rainer Zobel, ein Idol seiner Kindheit. Denn Zobel war von 2004 bis 2005 Trainer in Teheran. Das ist Benyamins Heimat, dort betreiben seine Eltern im Basar ein Juweliergeschäft.

Der fußballbegeisterte Iraner studiert seit 2016 Mathematik und Management am Bennington College im nordöstlichen US-Bundesstaat Vermont. Seit einem Monat ist er für ein Semester an der Lüneburger Leuphana Universität. Warum Lüneburg? “Weil meine Uni in den USA und die Leuphana ein Austauschprogramm haben”, erklärt Benyamin Mohammadzadeh. Sein größter Wunsch: “Ich möchte später mal in einem Profiklub arbeiten – am liebsten in Europa.”

Benyamin Mohammadzadeh (l.) traf seinen Landsmann Mehdi Mahdavikia beim HSV-Training in Hamburg. Foto: Mohammadzadeh

Wie kam es zu dem Treffen mit Zobel? Benyamin Mohammedzadeh suchte zunächst den Kontakt zu seinem Landsmann Mehdi Mahdavikia, dem ehemaligen HSV-Star. Mahdavikia ist im Iran ein Volksheld, spielte 110-mal für die Nationalmannschaft, war deren Kapitän. Der Ex-Profi lud den Studenten nach Hamburg zum Training ein. Mahdavikia ist derzeit Co-Trainer bei den HSV-Amateuren, die mit dem LSK in der Regionalliga spielen. Und er gab Benyamin den entscheidenden Tipp: “In Deiner Studienstadt Lüneburg ist Rainer Zobel Trainer.” Benyamin war überrascht: “Das wusste ich nicht.”

Zurück in Lüneburg, rief er bei der LSK-Geschäftsstelle an. LSK-Jugendvorstand Martin Wilke vermittelte den Kontakt zu Zobel. Der LSK-Trainer hat beste Erinnerungen an seine Zeit in Teheran, war gerne zu einem Treffen bereit. Mittwoch war es soweit. Benyamin Mohammadzadeh stand plötzlich vor seinem Idol, dem ehemaligen Trainer von Persepolis Teheran.

Die beiden verstanden sich auf Anhieb prächtig. Mohammedzadeh spricht Persisch, Türkisch, Spanisch und Englisch – aber außer “tschüs” kein Wort Deutsch. Kein Problem für den weitgereisten Trainer Zobel, der in Ägypten, Südafrika, Georgien, Moldawien, im Iran und den Arabischen Emiraten gearbeitet hat. “Die Sprache des internationalen Fußballs ist Englisch”, weiß Zobel. Die beiden unterhielten sich problemlos.

Einmal mehr wurde deutlich, dass der LSK einen Mann von Welt als Trainer hat.

Zobel: “Der Iran war das schönste Land”

“Wie hat es Ihnen im Iran gefallen?”, wollte Benyamin wissen. “Es war großartig”, schwärmte Zobel, “das schönste Land, in dem ich gearbeitet habe. Die Landschaft ist phantastisch, voller Gegensätze. Und die Menschen sind unglaublich nett. Wenn man privat eingeladen wird, erlebt man eine ganz andere Welt als draußen auf den Straßen, wo es eher streng und trist zugeht. Im muslimischen Staat Iran ist vieles verboten – aber nur offiziell. Hinter den geschlossenen Türen pulsiert das Leben!”

“Aber warum sind Sie dann nach einer Saison bei Persepolis Teheran schon wieder gegangen?”, wollte Benyamin wissen, der schnell seine Scheu vor dem großen Namen Zobel verloren hatte. “Weil es im Iran einen neuen Präsidenten gab. Mahmud Ahmadineschad war im August 2005 an die Macht gekommen”, erzählte Zobel, “und der deutsche Botschafter in Teheran gab mir den dringenden Rat, den Iran zu verlassen, weil es ungemütlich im Land werden würde. Ich habe dann eine Vertragsverlängerung mit Persepolis abgelehnt und bin mit einem Diplomatenpass ausgereist.”

Ob er danach noch einmal im Iran gewesen sei, fragte Benyamin. “Nein”, sagte Zobel, “ich sollte am besten nicht wieder einreisen, weil Persepolis damals mein Gehalt nicht versteuert hat. Ich habe also womöglich Steuerschulden im Iran und müsste bei einer Einreise damit rechnen, Schwierigkeiten zu bekommen. Das ist mir zu riskant.”

100.000 Zuschauer beim Stadtderby in Teheran

Ein Erlebnis! Zweimal saß Rainer Zobel in Teheran in diesem Stadion beim Stadtderby vor 100.000 Zuschauern auf der Trainerbank von Persepolis.

Trotzdem hat Zobel tolle Erinnerungen an sein Jahr in Teheran: “Es gibt dort zwei wirklich große Vereine, Persepolis und Esteghlal. Wenn die beiden Klubs zum Stadtderby antreten, sind 100.000 Zuschauer da. Ich habe das zweimal mitmachen dürfen, ein unglaubliches Erlebnis!”

Trainer bei Esteghlal ist übrigens derzeit der blonde Deutsche Winfried Schäfer(69). Der ehemalige Bundesliga-Coach (Gladbach, Karlsruhe, Stuttgart) hat den Klub nach einer Krise wieder nach oben gebracht und wird im Iran verehrt. Spitzname: der “deutsche General”.

“Wie schätzen Sie den iranischen Fußball ein?”, wollte Benyamin Mohammadzadeh von Rainer Zobel wissen. “Es gibt dort viele sehr gute Fußballer, allerdings haben sie zu oft ein Mentalitätsproblem”, hat der LSK-Trainer erlebt.

Immerhin haben etliche iranische Spieler den Sprung in den deutschen Profifußball geschafft: Mehdi Mahdavikia (HSV, Frankfurt, Bochum), Ali Karimi (Bayern München, Schalke 04), der zweimalige Welttorjäger Ali Dhaei (Bayern München), Askan Dejagah (Hertha BSC, Wolfsburg), Karim Bagheri (Bielefeld), Vahid Hashemian (Bayern München, Bochum, HSV, Hannover 96), Ferydoon Zandi (Freiburg, Kaiserslautern) und andere.

Der deutsche Fußball fasziniert den iranischen Studenten Benyamin Mohammadzadeh. So hat er sich am Sonntag das Abstiegsduell LSK gegen Norderstedt angeschaut. Und am Dienstag war er zusammen mit seiner Freundin, die derzeit ebenfalls in Lüneburg studiert, im Hamburger Volksparkstadion beim DFB-Halbfinale HSV gegen Leipzig. Sein Urteil: “Leipzig hat großartige Einzelspieler wie Forsberg, Poulsen und Werner. Aber 3:1 gewonnen haben sie, weil sie ein sehr gutes Pressing aufgezogen und eine immense Laufarbeit geleistet haben.”

Benyamins Traum: ein Job im deutschen Profifußball, am liebsten als Trainer. Wie er dieses Ziel erreichen könne, wollte er von Zobel wissen. “Erstens Deutsch lernen. Zweitens die Trainerscheine erwerben – und zwar alle möglichst mit Bestnoten”, riet Zobel. Aber er dämpfte auch gleich die Erwartungen des jungen Iraners: “Es ist äußerst schwer, in Deutschland einen Trainerjob im Profibereich zu bekommen.” Er riet dem Iraner, es eher im Bereich Marketing und Management zu versuchen, mit einem geeigneten Studienabschluss in der Tasche.

Zobel: “Der LSK ist meine letzte große Aufgabe”

Ob er denn selbst nicht noch mal als Trainer in höheren Klassen angreifen wolle, fragte Benyamin den LSK-Trainer. Zobel lachte: “Ich bin 70 Jahre alt – da ist die Regionalliga schon mehr als genug … Ich habe hier beim LSK meine letzte große Aufgabe gefunden. Wir wollen ein neues Vereinsheim in der Goseburg bauen, das ist am wichtigsten. Danach ein neues Stadion. Und wir wollen die Regionalliga halten. Denn dass wir unter so katastrophalen Bedingungen überhaupt in dieser Klasse spielen, ist jedes Jahr wieder ein Wunder.” Benyamin Mohammadzadeh blickte im abbruchreifen Klubheim in der Goseburg umher – und nickte verständnisvoll.

Dann hatte der Iraner noch einen großen Wunsch: “Herr Zobel, wäre es möglich, dass ich ein Praktikum bei Ihnen absolviere?” Der LSK-Trainer hat in seiner unkomplizierten, hilfsbereiten Art nichts dagegen: “Du bist ab Juli, wenn die neue Saison beginnt, herzlich bei uns willkommen.” Der Student war hellauf begeistert: “Das ist sehr nett von Ihnen, vielen Dank!”

Damit geht für sympathischen Benyamin Mohammadzadeh ein zweites Märchen aus 1001 Nacht in Erfüllung.